Christen im nahen Osten

Jerusalems Spur der Hoffnung

Im Nahen Osten ist Krieg. Auch die christliche Minderheit ist davon betroffen: Das Weihnachtsfest fand nahezu ausschließlich im Privaten statt. Alle öffentlichen Feierlichkeiten waren abgesagt. Auch vor Ostern herrscht vielerorts gespenstische Ruhe. Einen Kontrapunkt der Hoffnung setzte ein Kinderkreuz­weg auf der Via Dolorosa. Rund 1000 junge Leute beteten so um Frieden im Heiligen Land.

Aus historischer Sicht ist die Via Dolorosa in der Jerusalemer Altstadt zwar mit ziemlicher Sicherheit nicht der Weg, den Jesus in seinen letzten Stunden gehen musste. Als den Franziskanern 1342 das Sorgerecht für christliche Stätten in Jerusalem übertragen wurde, entwickelten sich dort dennoch die Kreuzwegstationen als Andachtsform. Heute ist die Via Dolorosa eine der heiligsten Stätten der Christenheit. 

Wenn nicht gerade der Krieg nahezu alle Touristenströme erstickt, besuchen und beschreiten jedes Jahr Tausende Pilger diesen Weg, der durch Gebete von Christen aus aller Welt geheiligt ist. Die heutige Route ist durch 14 Kreuzwegstationen gekennzeichnet. Sie wurden auf der  Grundlage der Ereignisse rund um die Kreuzigung Jesu gestaltet.

Eine große Gruppe junger Menschen brachte kürzlich zum ersten Mal seit Ausbruch des Kriegs zwischen der Hamas und Israel im vergangenen Oktober wieder Leben auf die Straßen Jerusalems. Rund 1000 Kinder und Jugendliche aus christlichen Schulen gingen auf der Via Dolorosa, beteten für den Frieden im Heiligen Land und hinterließen damit eine Spur der Hoffnung. 

Zwölf Institutionen

Die Initiative „Der Kreuzweg … ein Weg des Friedens“ wurde von der Franziskaner-Kustodie des Heiligen Landes organisiert und band zwölf christliche Institutionen ein. Unter ihnen sind zwei Schulen der anglikanischen Kirche, die Schule der armenisch-apostolischen Kirche und verschiedene katholische Gruppen. 

Der Kreuzweg des Friedens begann an der Geißelungskapelle im muslimischen Viertel der Altstadt. Dort verehrten die jungen Menschen eine Jesusstatue, die erst wenige Monate zuvor in jener Kapelle der „Flagellatio“ von einem jüdischen Amerikaner geschändet worden war. Die zerbrochene und verunstaltete Statue wurde nie restauriert und ist damit zum Symbol des leidenden Jesus geworden. 

Tauben als Friedenszeichen

Die ersten acht Stationen des Friedens-Kreuzwegs fanden entlang der traditionellen Route der Via Dolorosa statt, die übrigen in der franziskanischen Erlöser-Kirche. An jeder Station ließen zwei Kinder nach der Lesung der Heiligen Schrift und dem Gebet ein Taubenpaar frei: als sichtbares Zeichen des Gebets für Frieden und Freiheit.

Jeder Teilnehmer trug einen Schal in weißer Farbe, der Farbe des Friedens. Auf dem Stoff bildeten die englische Inschrift „Gib uns Frieden“ und das lateinische „Da nobis Pacem Domine“ ein Kreuz. Daneben war auf dem Schal eine Taube abgebildet, die einen Olivenzweig im Schnabel hält – auch dies ein Symbol für den Frieden.

„Das Gebet der Kinder dringt durch die Wolken und wird bei Gott Erhörung finden“, sagte Pater Ibrahim Faltas, der Vikar der franziskanischen Kustodie. „Alle diese Kinder aus christlichen Schulen in Jerusalem haben sich auf den Weg gemacht, um den Kreuzweg, den Weg des Friedens, zu gehen und für ein Ende des Kriegs zum Herrn zu beten. Sie haben für ihre Brüder und Schwestern  in Gaza gebetet, die an Hunger, Durst und Kälte sterben.“ So viele seien verwundet und hätten keine Möglichkeit, behandelt zu werden, klagte Faltas.

Den Frieden erbeten

Pater Arden von der Armenischen Schule betonte: „Es ist so wichtig, dass unsere Jugend erkennt, dass wir Frieden in der Welt brauchen. Und der muss erbetet werden.“ Und Frater Daoud Kasabri von den christlichen Schul-Brüdern drückte es so aus: „Mit den Kindern aus Jerusalem erheben wir unsere Stimmen zu Gott und bitten ihn um den Frieden – in Gaza, in Israel, in Palästina.“ 

Francesco Patton, Kustos des Heiligen Landes, betonte die Bedeutung Jesu, der sein Leben für die ganze Menschheit hingegeben habe – sogar für diejenigen, die ihn verfolgten. „Bitten wir ihn um die Gnade, unsere Herzen frei von Hass und Rachegelüsten gegen diejenigen zu halten, die uns Schaden zufügen.“

Alle Mauern, sagte Patton, die aus Feindschaft und Hass errichtet wurden, mögen niedergerissen werden. „Bitten wir Jesus, der seine Arme zwischen Himmel und Erde ausgestreckt hat, uns heute dabei zu helfen, durch unser Engagement für Frieden und Versöhnung im Heiligen Land und auf der ganzen Welt eine Brücke des Friedens zu bauen.“

Karl-Heinz Fleckenstein

21.03.2024 - Heiliges Land , Kinder , Nahost